zur Übersicht

Eliz erzählt: 
vom Babyverkäufer, den Pußta-Pferden und der fremden Frau

Nun ist diese Frau gegangen und hat das Licht ausgemacht. Und ich liege hier in diesem fremden Zimmer bei fremden Leuten in einem fremden Land und kann mal in Ruhe über den heutigen Tag nachdenken - und über mein Leben im allgemeinen. Wenn Sie einen Moment Zeit haben, kann ich Ihnen ja davon erzählen.

Mein ganzes Hundeleben - bis heute früh - hab ich zugebracht in einem Land, wo man Paprika liebt und Csárdás tanzt. Pferde werden in diesem Land auch geliebt, Hunde leider weniger; die werden oft nur gebraucht für dies und jenes.
Auch ich - Eliz - hatte eine Aufgabe: und zwar mußte ich für den Mann, dem ich gehörte, soweit ich zurückdenken kann, Doggenbabies zur Welt bringen.
Aber obwohl dieser Mann jahrelang so viele Babies von mir verkaufen konnte, war sein Umgang mit mir achtlos, manchmal auch grob.

Oft dachte ich bei mir - und ich hatte in den Jahren wirklich viel Zeit zum Nachdenken - also, ich dachte, es müßte im Leben eines Hundes doch vielleicht noch was anderes geben als diesen windigen, stinkenden Verschlag, in dem ich untergebracht war, wundgescheuerte Gelenke von dem harten, dreckigen Boden, Abfälle in der Futterschüssel und im Winter elend frieren. Und ich kann mir auch gut vorstellen, daß meine Beine und mein Rücken nicht so krumm wären, wenn ich manchmal hätte spielen oder rennen dürfen.
Vielleicht am schlimmsten aber war es, wenn ich Babies bei mir hatte. Als Mutter will man es den Kleinen doch ein bißchen gemütlich machen. Aber soviel ich sie auch putzte, sie wurden nie sauber; gegen soviel Dreck kommt man einfach nicht an, die Kinder stanken gottserbärmlich. Das machte mich immer ganz nervös, also putzte ich unablässig weiter.
Obwohl ich auch nicht sagen könnte, daß es mir besser ging, wenn der Babyverkäufer die Kleinen wegholte, weil die Tage dann wieder so endlos lang und eintönig waren.

Aber nachts machte ich mich manchmal davon. In den endlosen Weiten der Pußta konnte ich endlich mal Hund sein und rennen und toben. Und plötzlich waren meine Beine nicht mehr krumm, sondern lang und gerade, die Gelenke taten überhaupt nicht mehr weh, mein Bauch war nicht mehr verschrumpelt und ausgeleiert, und mein schwarzes Fell glänzte in der Sonne wie poliertes Leder. Ich rannte schneller als die Pußta-Pferde, ja wahrscheinlich sogar schneller als der Wind.
Und der Babyverkäufer war auch da. Er schien mächtig stolz auf mich zu sein; er lachte und sagte mir viele schöne Worte. “Eliz!” rief er mich zu sich und klopfte mir liebevoll den Rücken. Und wieder rannte ich - so schnell, daß mir fast das Herz zersprang -, damit er nur ja nicht aufhörte zu lachen.
Wenn ich dann morgens in meinem elenden Verschlag aufwachte, war aber doch wieder alles beim alten, nur noch ein bißchen trostloser als sonst.

Irgendwann, nach ich weiß nicht wie vielen Jahren, wollte der Mann dann meine Babies nicht mehr haben - und mich natürlich auch nicht. Also lieferte er mich in einem Tierheim ab. Dort war zwar das Essen besser und die Menschen freundlicher, aber der Boden war genauso hart und die Nächte - es war gerade Winter - genauso kalt.
Und wieder dachte ich bei mir, es müßte im Leben eines Hundes doch noch was anderes geben. Bis etwas Seltsames geschah, und zwar heute morgen.

Ein großer Wagen kam durch’s Tor gefahren. Leute liefen geschäftig herum und entluden alle möglichen Sachen. Schließlich gingen die Fremden an den Zwingern entlang, sprachen freundlich mit den Hunden und kraulten die hoffnungsvoll durch die Gitter nach draußen gestreckten Nasen. Und plötzlich wurde die Zwingertür geöffnet und ich nach draußen geführt.

Ich war ganz perplex und wußte gleich gar nicht, was man denn nun von mir erwartete: sollte ich mich setzen oder doch lieber stehen, mit dem Schwanz wedeln oder besser mich ganz ruhig verhalten? Dann kam auch noch eine der fremden Frauen auf mich zu, kniete sich vor mich hin und sagte: “Ja Mädelchen, wie schaust denn du aus!?”
In meiner Verlegenheit fiel mir nichts besseres ein, als den Kopf zu senken und dieser Frau eine Pfote hinzustrecken. Nicht mal ansehen hab ich sie mir getraut. Als sie aber so freundlich auf mich einredete und mir unablässig über Kopf und Rücken strich - obwohl sie davon schrecklich schmutzige Hände bekam -, wurde ich doch ein bißchen lockerer; kurzerhand beschloß ich, dieser fremden Frau zu folgen, wohin auch immer sie gehen würde.

Die Fahrt, auf die die Frau mich mitnahm, dauerte lang, machte mir aber gar nichts aus. Schließlich hatte ich zwei dicke Decken zum drauf liegen - extra für mich. Wenn wir unterwegs anhielten, um Verschiedenes zu erledigen, paßte ich immer gut auf, die Frau nicht aus den Augen zu verlieren - sicher ist sicher.

Als wir dann am abend zu Hause ankamen - ich meine natürlich bei der Frau zu Hause, weil ob ich hierbleiben kann, weiß ich noch nicht -, führte sie mich in ein Zimmer, in dem war es total kuschelig: erstens war geheizt und zweitens durfte ich mich auf eine dicke, weiche Matratze legen. Dann gab’s Abendessen, und zwar - können Sie sich das vorstellen?! - stand die Schüssel nicht am Boden, sondern so in einem Gestell, daß ich mich zum Essen gar nicht bücken mußte; also Sachen gibt‘s auf der Welt, da kannst du nur staunen!

Schließlich hat sich die nun schon gar nicht mehr so fremde Frau zu mir auf die Matratze gesetzt und mit mir geredet: Am nächsten Tag würde ich die anderen Hunde im Haus kennenlernen, und es wäre sehr wichtig, daß ich zu denen brav bin. Und sie hat noch viel gesagt, aber ich konnte gar nicht so richtig zuhören, weil ich immer überlegte, wie ich mich am richtigsten verhalten sollte, man will ja in so einer Situation keinen Fehler machen. Nur am Schluß hörte ich sie sagen: “Mach dir keine Sorgen, Eliz, jetzt wird alles gut.” Dann ist sie raus und hat das Licht ausgemacht, und hier liege ich nun, und mein Kopf schwirrt, weil das alles ein bißchen viel war für einen Tag.

Aber soll ich Ihnen mal was sagen? Ich glaube dieser Frau: Jetzt wird alles gut. (gh)

zur Übersicht