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Donna, Lucy und die Trassls

Ein Hund ist in der Regel demjenigen ausgeliefert, dem man das Ende der Leine in die Hand drückt (abgesehen von wenigen Ausnahmen - vom Neufundländer aufwärts). Schon allein deshalb ist Tierschutz manchmal ein arg hartes Geschäft: Die Entscheidungen sind oft von größter Tragweite, die Verantwortung lastet schwer auf den Schultern.
Im Lauf der Jahre sind Lynn und ich da recht cool geworden. Und routiniert. Wir haben Menschen einschätzen gelernt, Hunde natürlich auch. Aber das war nicht immer so. Hier die Geschichte unserer ersten Hundevermittlung.

Kaum waren die Tierfreunde Niederbayern aus der Taufe gehoben - die Tinte auf dem Protokoll der Gründungsversammlung war wohl noch gar nicht ganz trocken, die Meldung fürs Vereinsregister lag noch irgendwo beim Notar herum -, gab es schon den ersten Großeinsatz. Die polnische hard core-Tierschützerin Marianne Danyluk rief an und berichtete, daß eine Doggen-Zucht aus Altersgründen der Züchterin aufgelöst werden sollte. Für den Restbestand der Tiere - also DOGGEN!! - sei die Todesspritze praktisch schon aufgezogen.

Ich gebe zu, ich fuhr einen “heißen Reifen” nach Sedlce, Polen, das noch eine Ecke östlicher liegt als Warschau. Knapp drei Tage später brachte ich sie nach Hause: Vater-Dogge, Mutter-Dogge und Kind-Dogge. Daß mich der Sohn der alten Züchterin erpreßt und mir eine schöne Stange Geld abgeknöpft hatte, ehe er die Hunde herausrückte, war für mich weit weniger schlimm als die Erkenntnis, daß ich unmöglich alle drei Doggen selber behalten konnte - schließlich hatte ich zu Hause ja auch schon zwei.

Das Doggen-Kind - die 5 Monate alte Donna - war natürlich die erste, die mir entrissen werden sollte. Aber wer in aller Welt war gut genug, diesen Traum auf vier Gummibeinen nach Hause zu führen? Plötzlich verstand ich die besorgten Väter: “Junger Mann, können Sie meine Tochter überhaupt ernähren?”

Nadja, Michael und Andreas Trassl, eine junge Familie in wohlgeordneten familiären und finanziellen Verhältnissen, an denen ich beim besten Willen nichts auszusetzen fand, streckten also ihre Finger nach “meiner” Donna aus. Wie sollte man die Leute denn nun prüfen? Polizeiliches Führungszeugnis verlangen? Oder Referenzen, Familienstammbuch, Gesundheits- oder Leumundszeugnisse, Verdienstbescheinigungen? Wie konnte ich sicherstellen, daß sie diese Hündin ihr ganzes Leben lang, Tag für Tag, restlos glücklich machen würden? Vielleicht sollte ich bei den Leuten erstmal selber für drei Wochen probewohnen?

Aber es half alles nichts. Natürlich waren sie die Richtigen für Donna. Also verschwand ich heimlich ins Büro und tippte in aller Eile einen rasch zusammengezimmerten “Abgabevertrag”, den die Trassls unterschreiben sollten, sicher ist sicher. Innerlich völlig zerrissen händigte ich Donna aus. Die Geldscheine, die dabei als Spende an den Verein übergeben wurden, brannten in meinen Fingern wie 30 Silberlinge.

Ob es die richtige Entscheidung war? Urteilen Sie selbst:

Die ersten Fotos, die wir von Donna bekamen, zeigen sie unterm Sonnenschirm am Mittelmeer (sie wurde damit zum Covergirl unserer Vereins-Broschüre). Donna ist jetzt über vier Jahre alt, hat jeden Tag seitdem gelebt wie die Made im Speck. Ihre Bedürfnisse stehen täglich ganz oben auf der Liste der Prioritäten.

Die Trassls haben Donnas zartes Naturell nicht etwa mit Erziehungsmaßnahmen belastet. Der Umgangston in dieser Familie ist vorbildlich, hier werden Hunde nicht zu Menschen zweiter Klasse degradiert. Mit eigenen Ohren habe ich Nadja einmal sagen hören: “Donnili - machst du bitte mal n’schönen Sitz?” Wenn ich mich recht erinnere, lautete Donnas ebenso höfliche Antwort: “Nadjalein, ich hab im Moment leider gar keine Zeit.”

Nach der Kastration (deren Für und Wider zuerst jahrelang in der Familie diskutiert werden mußte), als Donna also etwas mitgenommen auf dem großen, dicken Kissen lag, ist Nadja vor ihr gekniet und hat sich an die tausendmal dafür entschuldigt, daß sie ihr sowas Schreckliches hatte antun müssen.

Ich nehme im übrigen stark an, daß die USA-Reise, von der die Trassls manchmal träumen, erst angetreten wird, wenn auch ganz große Hunde mit im Passagierraum der Intercontinental-Flugzeuge sitzen dürfen.

Donna ihrerseits dankt den Trassls für all die Fürsorge und Liebe, indem sie wichtige Aufgaben innerhalb der Familie übernimmt. So sorgt sie zum Beispiel zuverlässig dafür, daß kein Radfahrer mehr an ihrer Einfahrt vorbeifährt. Sie lehrte Nadja, daß es im Leben nicht um Materielles gehen darf, indem sie ihre Sammlung kostbarer Tücher (von ESCADA aufwärts) sorgfältig in kleine Stückchen zerbiß.

Wenn Nadja einen wichtigen Vortrag halten muß vor hunderten von Leuten, wer spuckt ihr da wohl morgens über die Schulter, um ihr - toi toi toi - viel Erfolg zu wünschen? Richtig. Donna. Allerdings hat sie das Ritual ein bißchen abgewandelt: Sie drückt ihr die Frühstücks-Quarkschnauze treffsicher ans Revers des edlen Kostüms.

Donna ist auch rührend besorgt um Michaels Fitness, hat ihm ein ausgewogenes Trainingsprogramm zusammengestellt: Donna läuft voraus über Wiesen und Felder und Michael hinterher; ganz vorne läuft dann meistens noch ein Reh.

Donna - geschafft vom Trainigsprogramm für Michael

Ja, es war eine gute Entscheidung damals. Die fünf Trassls sind’s recht zufrieden. Wer die fünfte Person ist? Die fünfte ist Lucy, eine kleine Hündin, die in der Zwischenzeit noch dazugestoßen ist. Woher? Aus Polen natürlich. Nadja Trassl hat mich beim nächsten Großeinsatz nach Warschau begleitet und sie von dort mitgebracht.

Hab ich anfangs gesagt, daß Tierschutz manchmal ein arg hartes Geschäft ist? Nun, das muß ich relativieren: Manchmal ist Tierschutz auch ganz easy. (gh)

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